Anfang Juni habe ich ein Woche Urlaub auf Borkum verbracht. Bisher kannte ich nur Sylt und Norderney, aber nachdem mir gleich drei Menschen im Freundes- und Bekanntenkreis von der Insel vorgeschwärmt hatten, dachte ich: Da fahr ich jetzt auch mal hin. Meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Es war ein wunderschöner Urlaub – mit ganz kleinen Abstrichen in Sachen Barrierefreiheit.
Ich wollte endlich mal raus aus Köln, raus aus der lärmenden Stadt, Ruhe haben, den Kopf frei bekommen – durchatmen! Das geht an der Nordsee wunderbar – die Weite, das Meer, Sand zwischen den Zehen. Und das Smartphone? Nur an für die Katzensitterinnen und zum Hören von Podcasts und Hörbüchern!
Wir hatten eine sehr schöne Ferienwohnung in direkter Strandnähe, sind viel gewandert, haben viel besichtigt und haben die Seele baumeln lassen. Ganz beruflich abschalten konnte ich aber natürlich nicht, denn wie immer achte ich an Orten, die ich besuche darauf, wie es dort mit der Barrierefreiheit bestellt ist. Und Borkum bekommt von mir eine Eins mit leichten Abzügen.
Für rollstuhlfahrende Personen zum Verreisen gut geeignet
Die Nordseeinsel Borkum wirbt damit, für motorisch eingeschränkte Menschen möglichst barrierefrei zu sein. Auch arbeitet man daran, noch bestehende Barrieren zu beseitigen. So werden gerade die Bahnsteige am Fährhafen umgebaut (Stand Juni 2023), sodass rollstuhlfahrende Personen, Menschen mit Rollator oder mit anderen Gehhilfen besser ein- und aussteigen können.
Viele Bordsteine im Stadtzentrum sind bereits abgesenkt, und selbst der Strand ist stufenfrei zugänglich. Zudem gibt es das Angebot, sich einen Rollstuhl mit strandtauglichen Reifen ausleihen zu können. Ich finde das sehr vorbildlich und würde mir wünschen, dass auch anderswo mehr darauf geachtet wird.
Denn auch für mich mit Sehbeeinträchtigung sind Stufen und unübersichtliche Wege immer wieder eine Herausforderung. Schwierigkeiten könnte es hingegen in den Supermärkten der Insel geben, die ich teils als sehr voll und mit engen Gängen empfunden habe. Das könnte ggf. für Rollstuhlfahrende oder Menschen mit Gehhilfe ein Problem darstellen.
Es gibt aber, soweit ich das mitbekommen habe auch einen Bringdienst (zumindest bei einem der Supermärkte hatte ich da ein Gespräch mitgehört) und die Verkäufer*innen sind sehr nett, sodass man dort sicherlich auf Nachfrage auch Unterstützung beim Zusammenstellen des Einkaufs bekommt. So helfe ich mir gelegentlich auch im heimischen Supermartk, wenn mal wieder umgestellt wurde und ich nichts finde…
Kostenfreie Bus- und Bahnnutzung sowie Mitnahme einer Begleitperson
Die Inselbahn sowie den offiziellen Linienbus auf Borkum kann man als schwerbeeinträchtigte Person kostenfrei nutzen sowie, wenn ein „B“ im Ausweis vorhanden ist, eine Begleitperson kostenfrei mitnehmen. Anders sieht das bei privaten Veranstaltern wie der Inselrundfahrt oder Stadtführungen aus.
Insgesamt ist das Personal, egal ob im Restaurant, am Neuen Leuchtturm, in Museen oder Im Gezeitenland (Schwimmband) was Menschen mit Beeinträchtigung angeht sehr aufmerksam und hilfsbereit und unterstützt, wo es kann. Auch das ist mir sehr positiv aufgefallen, da ich es oft erlebe, dass ich erst einmal meinen Blinden-Button erklären muss oder aktiv um Unterstützung bitten muss trotz Kennzeichnung.
Das mag auch daran liegen, dass Menschen mit Beeinträchtigung auf Borkum zum ganz normalen Stadtbild gehören, egal ob rollstuhlfahrende Personen, Menschen mit Rollator oder auch auf Krücken – es ist ein sehr harmonisches Miteinander, das hat mir gut gefallen. Eine Ausnahme gibt es allerdings.
Als blinde Person ist Borkum dennoch mitunter eine Herausforderung
Die Insel Borkum ist ideal für Radfahrer*innen und lädt zu kurzen und langen Touren ein. Und genau das bzw. das Verhalten vieler Rad-Fans, ist für Menschen mit Sehbeeinträchtigung für mich echt ein Problem. Ich selbst habe nichts gegens Radfahren und bin ein Tandem-Fan. Aber auf Borkum – wie überall eigentlich, wo Rad gefahren wird – ist es für sehbeeinträchtigte Menschen echt abenteuerlich, sich ohne Begleitperson zu bewegen. Viele Radfahrende fahren leider viel zu schnell, zu eng an anderen vorbei, fahren dort, wo sie nicht dürfen und erwarten, wenn sie klingeln, dass man beiseite springt.
Mehr Sicherheit durch Rücksichtnahme
Ein Spaziergang durch Borkum-Stadt wäre für mich alleine ehrlich gesagt nicht möglich gewesen, auch nicht mit dem Langstock, weil mir – auch hier in Köln – aufgefallen ist, wie unaufmerksam Leute mittlerweile Radfahren. Da wird aufs Handy geguckt, telefoniert, sich mit dem Neben-Fahrenden unterhalten – und ooops: da ist ja jemand plötzlich vor mir, dann klingele ich eben, dann muss die Person sofort zu Seite. Nein, muss sie nicht! Im Gegensatz zu vielen anderen kann ich nun einmal nicht vorausschauend laufen. Was ich mir wünsche? Ein bisschen mehr Aufmerksamkeit und das Bewusstsein, dass Rücksicht und Vorsicht allein dienen.
Mehr Leitlinien, mehr digitale Ansagen wären toll
Es war eine wunderschöne Woche auf Borkum und ich kann diese Insel wirklich allen empfehlen – in Sachen Barrierefreiheit für Menschen mit Seheinschränkung (zum Beispiel mehr Leitlinien im Innenstadtbereich, sprechende Ansagen an den Bushaltestellen oder einen Audioguide im Heimatmuseum oder Aquarium) wären super und helfen sicherlich auch, dass sich auch blinde und hochgradig sehbeeinträchtigte Menschen auf Borkum noch wohler fühlen.
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Bildquellen
- SonnenuntergangBorkum: Saskia von der Burg